Sonntag, 29. November 2009

Evangelischer Adventsgottesdienst auf der Orgelempore








1. Adventsonntag 2009, Zeit zu einem Gottesdienstbesuch der besonderen Art und zwar ein Blick hinter die Kulissen, zusehen bei der Arbeit einer Kantorin an der Orgel. Auf Einladung der Kantorin i. R. Christa Müller waren Seniorenbetreuer Steve Neumann und ich eingeladen ihr bei ihrem Spiel auf der Orgel der Dessauer Kreuzkirche zuzuschauen. Christa Müller war 40 Jahre lang Kantorin an der Dessauer evangelischen Kreuzkirche und trotz ihres wohlverdienten Ruhestandes ist sie noch immer sehr für die anhaltische Landeskirche aktiv, hauptsächlich als Vertretung erkrankter oder sonst wie verhinderter Kantoren an den verschiedensten Orgeln oder Klavieren in Kirchen und Kapellen, wie z.B. auch dem Leopolddankstift. Frau Müller und mich verbinden gemeinsame frühere gute Bekannte, so z.B. die Kunsthistorikerin Charlotte Timmling, die Gemeindehelferin in Ziebigk, Frau Schendel (spätere Frau Fuchs) und Oberkirchenrat Gerhart. Und natürlich kannte ich auch ihren werten Herrn Vater, denn er war ja lange Jahre in der evangelischen Dessauer Christuskirche ebenfalls Kantor und ich erinnere mich noch sehr gut an seinen Unterricht bei der Christenlehre als Kind. Für die werten Leser des Blogs deshalb heute Fotos von einer Orgelempore mit der Orgelspielerin Christa Müller.

Den evangelischen Gottesdienst leitete die Frau Pfarrerin Preckel, die schönerweise über ein bekanntes Kirchenlied predigte, welches die Besucher im Gottesdienst sangen, begleitet an der Orgel von Christa Müller: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, ein in Ostpreußen entstandenes
Kirchenlied aus dem 17. Jahrhundert. Der Text stammt von Georg Weissel (1590–1635), und wurde von ihm 1632 gedichtet:


Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt; derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, mein Schöpfer reich von Rat. Er ist gerecht, ein Helfer wert; Sanftmütigkeit ist sein Gefährt, sein Königskron ist Heiligkeit, sein Zepter ist Barmherzigkeit; all unsre Not zum End er bringt, derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, mein Heiland groß von Tat. O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat. Wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein. Er ist die rechte Freudensonn, bringt mit sich lauter Freud und Wonn. Gelobet sei mein Gott, mein Tröster früh und spat. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, eu’r Herz zum Tempel zubereit’. Die Zweiglein der Gottseligkeitsteckt auf mit Andacht, Lust und Freud; so kommt der König auch zu euch, ja, Heil und Leben mit zugleich. Gelobet sei mein Gott, voll Rat, voll Tat, voll Gnad. Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein; dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein Heilger Geist uns führ und leitden Weg zur ewgen Seligkeit. Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr.


Pfarrerin Preckel nutzte den Liedtext zu einem historischen Diskurs in Zeiten des alten Königsbergs. In der Überlieferung wurde berichtet, daß ein reicher Emporkömmling der sich ein Schloß in der Nähe eines Armen-und Siechenstiftes baute, den dortigen Bewohnern den Weg zur Kirche und Stadt mit einem Zaun versperrte, so daß die armen und siechen dortigen Bewohner lange Umwege laufen mußten. Erst das Singen dieses Liedes erweichte das Herz des Reichen und fürderhin öffnete er den Durchgang wieder und soll auch sein Herz den Worten Jesu geöffnet haben, die da lauten:

Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.

Vergleicht man diese alte Geschichte mit der Wirklichkeit heutiger Zustände, dann hat sich an den Grundproblemen wenig geändert, ganz im Gegenteil, der Egoismus hat zugenommen und die Schere zwischen arm und reich wird immer größer. Dabei werden die Reichen immer unbarmherziger und wer kennt nicht die sichtbaren Zäune der Reichen seit der Wende von 1989, wo bisher jedem zugängliche Landschaft, Wälder, Seen auf einmal mit Schildern versehen werden „Privateigentum: Betreten verboten!“ Die Profiteure des kapitalistischen Systems grenzen sich immer mehr vom ausgebeuteten verarmten Volk ab, den Niedriglöhnern, den modernen Leiharbeitersklaven, den 1-Euro-Jobbern, den Obdachlosen, all den Unterdrückten die es nach der Wende auch in Mitteldeutschland wieder gibt. Ob nun das Herz all derjenigen bürgerlichen Wohlstandsschichten ein Kirchenlied heutzutage erweichen kann, dies ist fraglich in einer Zeit wo Christi Herrenworte und Bergpredigt kaum noch gehört werden. Die stillen Beter sind da aufgefordert auf den Herrn zu hoffen, daß endlich ein gerechteres System in Deutschland sich durchsetzen möge. Daß durch die Macht der Gebete schon einmal ein System wie ein Kartenhaus zusammenfiel, wie das sozialfaschistische SED-und Stasiregime in der DDR, dies lässt hoffen, daß das nicht bessere jetzige ungerechte Gesellschaftssystem eines Tages ebenso verschwinden wird und endlich freiere und sozialere Verhältnisse herrschen werden.

Auch als Mitglied einer anderen christlichen Konfession kann ich der Grundsatzerklärung der Evangelischen Kirche von 1996 nur voll zustimmen, die da lautet:

„Weil Christus sich eindeutig auf die Seite der Erniedrigten und Beladenen gestellt hat, ist die ganze Gemeinde verpflichtet, alle Formen von Unrecht, Unmenschlichkeit und Bedrohung der Schöpfung nicht als unabänderlich hinzunehmen, sondern dagegen öffentlich Widerstand zu leisten."

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