Samstag, 3. Juli 2010

1990 - die neue Gewerbefreiheit mit Hindernissen


Das waren Zeiten – 1990! Die Ratten verließen das sinkende Schiff. Die, die früher am wildesten die „sozialistische“ Fahne schwenkten, die wendeten sich am schnellsten. Das Wort „Wendehals“ wurde zum Wort des Jahres 1990 in der DDR. Die alten Seilschaften der SED-Sozialfaschisten funktionierten besser denn je, man sah zu wo man unterkommen konnte und nistete sich in den neuen Strukturen ein. Besonders der im Aufbau befindliche bundesdeutsche öffentliche Dienst lockte, dort schob man sich gegenseitig die besten Posten zu. Dazu hatte man die Mittel, denn man saß ja noch immer an den eigentlichen Schaltstellen. Während die normalen Bürger arbeitslos wurden, da jede Menge an Betrieben geschlossen wurden, stützten sich im wesentlichen die neuen westdeutschen „Berater“ auf die alte Nomenklatura. Wenn in einem Betrieb fast allen Kollegen gekündigt wurde, so blieben doch als letzte die alten Funktionäre und Lakaien in Amt und Würden, dies dann aber mit Gehältern die um ein vielfaches höher waren als zu DDR-Zeiten.

Sich selbständig machen war dann oft der letzte Ausweg für diejenigen die nicht zu den alten Cliquen gehörten, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Dies war aber 1990 nicht so einfach, denn beim Rat der Stadt Dessau wurde mit allen Mitteln versucht Gewerbewilligen Steine in den Weg zu legen. Dies hatte den Grund, daß diese Herrschaften es gewohnt waren, daß sie bestimmten wer ein Gewerbe bekam und wer keines und dies versuchte man auch trotz gerade von der letzten DDR-Volkskammer beschlossener Gewerbefreiheit beizubehalten. Ein gutes Druckmittel war die Vergabe von Gewerberäumen durch die Kommunale Wohnungsverwaltung. Wer da nicht zu den alten DDR-Seilschaften gehörte, dem wurde der Abschluß von Mietverträgen unter fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Gewerberaum war damals knapp und den brauchte man für seine eigene Clique. Ich kann mich noch gut erinnern welchen Kampf es kostete den Mietvertrag für einen leerstehenden Laden in Dessau zu bekommen. Wenn der Runde Tisch nicht gewesen wäre, hätte ich diesen Mietvertrag nie bekommen, denn die Ämter waren voll in der Hand der alten DDR-Seilschaften, die mit allen Mitteln ihre Pfründe zu verteidigen wußten, die sie sich in 40 Jahren SED-Sozialfaschismus unter den Nagel gerissen hatten. Zähneknirschend mußte man mir einen Mietvertrag aushändigen und ich konnte endlich einen Laden aufmachen, welches zu SED-Zeiten einem gewöhnlich Sterblichen bekanntermaßen nicht möglich war. Wem damals eine der wenigen Gewerbegenehmigungen erteilt wurde, dies weiß jeder ehemalige DDR-Bürger…

Mein eingescannter Zeitungsausschnitt aus der Mitteldeutschen Zeitung stammt vom
19. September 1990. Das Foto zeigt mich vor meinem ersten eigenen Laden. Zu den dann nachfolgenden Ladengeschäften siehe meine Blogbeiträge
http://barrynoa.blogspot.com/2010/06/die-dessauer-amalienstrae-und-nowacks.html und http://barrynoa.blogspot.com/2009/09/bn-und-sein-kunst-und.html .

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