Freitag, 22. Oktober 2010

Der "Gewebeatlas" von Rudolf Lohse und die GHG Textilwaren Dessau



Weshalb ich mich mit Stoffen bestens auskenne, dies liegt einzig und allein an einem Buch welches ich schon als Kind gern anschaute. Rudolf Lohses „Gewebeatlas“ aus dem Fachbuchverlag Leipzig von 1956 stand bei uns zuhause im Bücherschrank und was das faszinierende für mich war, dies waren die 243 Original-Stoffmuster darin. Das Buch gehörte Vater, der ja vor dem Krieg Textilkaufmann gelernt hatte, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2008/01/tod-des-vaters.html , und der in den 50er Jahren bis Anfang der 60er Jahre Direktor der Großhandelsgesellschaft Textilwaren Dessau (anfangs: Großhandelskontor Textilwaren Dessau) gewesen war. Gerade durch die originalen Stoffmuster auf den Tafeln in dem Fachbuch konnte man Stoffe geradezu erfühlen und unterscheiden. Durch dieses Blättern in dem Buch als Kind haben sich die verschiedensten Stoffarten mir tief eingeprägt und ich könnte noch heute die Eigenschaften eines Cheviot, eines Donegal, eines Whipcord oder eines Ulsterstoffes mit angewebten Futter (alles Herren-Anzugsstoffe) benennen, bei den vielen sonstigen Stoffarten sieht es nicht viel anders aus.

Erschreckend die Unwissenheit heutiger Textilverkäuferinnen! Ab und an hatte ich mir mal den Spaß gemacht solcherart „Fachverkäuferinnen“ bis hin zu Abteilungsleiterinnen, zu testen – das Ergebnis war erschreckend, sie wußten so gut wie nichts (Ausnahme bei der Fa. Druschke). Vater war absoluter Textilkenner und paßte für den Posten in einer Textilgroßhandelsgesellschaft, aber schon seine Nachfolgerschaft in diesem Betrieb zu DDR-Zeiten konnte man voll vergessen. In den 80er Jahren zu Ende der DDR hatte ich das zweifelhafte Vergnügen mit den „Fachleuten“ dieses Betriebes zu tun zu haben, der sich nun „Sozialistischer Großhandelsbetrieb Textilwaren“ nannte – das Fachwissen in der Materialkunde war gleich null bis in die höchste Spitze hinauf. Stattdessen haute man mächtig auf den sozialistischen Putz, so wie im Großen in der DDR gab es dort eine kleine Diktatur und Cliquenwirtschaft, eben die typischen DDR-Endzeit-Seilschaften von kleinbürgerlichen SED-Typen die mit echtem Sozialismus nur die Phraseologie gemeinsam hatten. Normale Werktätige wurden wie überall in der DDR ausgebeutet und unterdrückt, dies von den, wie es Enver Hoxha einmal treffend nannte, „Cliquen an der Macht“.

Ich kannte ja Vaters Betrieb noch von den 50er und 60er Jahren her, da ich als Kind öfter mal dort war. Ein Unterschied wie Tag und Nacht zu den 80er Jahren, schon was die Gemeinschaft anlangte. Einen schwer lungenkranken Menschen, der schon dürr und elend wie ein Schwindsüchtiger im Endstadion herum lief, als Heizer zu verpflichten, ihm die Gesundheit kaputt zu machen durch die schwere Arbeit mit Massen an Kohleschippen und Glut ziehen, dies wäre meinem Vater als Humanist nicht eingefallen, in den 80er Jahren erlebte ich diesen Fall dort so, der mich sehr an die gnadenlose Ausbeutung im Manchesterkapitalismus erinnerte: selbstherrlicher diktatorischer Direktor und Parteibonzen oben und unten die unterdrückten ausgebeuteten Werktätigen. Zu Wendezeiten wurden die volkseigenen Betriebe privatisiert. Die Folge: Die damaligen Ausbeuter blieben lange Zeit noch an der Macht, wohingegen die normalen Werktätigen in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden. Von einem Betrieb in Zeitz ist mir bekannt, daß der ehemals über 100 Beschäftigte hatte und nach 1990 nur noch 12 von der alten Mannschaft dort tätig waren, ausnahmslos alles SED-Mitglieder und alle ehemals die Unterdrücker der Werktätigen in Funktionen als Parteileitungsmitglieder, BGLer, Kampfgruppenchefs und dergleichen herrschende Schicht des revisionistischen SED-Regimes der DDR-Endzeit.

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