Dienstag, 26. Oktober 2010

Der Neolith-Teich bei Aken und seine Wildgänse



Was ist spätrömische Dekadenz heute? Bestimmt sind es nicht die Reste des deutschen Sozialstaates die ein Guido Westerwelle damit betitelt, mit der Absicht diese Reste auch noch zu zerschlagen. Als dekadent und im höchsten Maße unchristlich finde ich die sogenannten Hubertusgottesdienste der evangelischen Kirche, ein Grund für mich, unter anderen, dieser Kirche nicht anzugehören.


„Einladung zum Hubertusgottesdienst
am 3. November 2007 um 18.00 Uhr -
Kirche St. Bartholomäi zu Zerbst
Mit den Hubertusbläsern und dem Posaunenchor
17.30 Uhr Jagdhornbläsergruppe Zerbst
Für das leibliche Wohl wird nach dem Gottesdienst im abendlichen Ambiente der Sommerkirche gesorgt. Jagdhornklänge, Feuerschein, Wildgulasch, Schwein am Spieß, Glühwein und vieles mehr.“

- so warb die evangelische Kirche für so einen Gottesdienst. In ein paar Tagen, am 30.10.2010 findet ein ähnlicher „Gottesdienst für Jäger und Jagdfreunde“ (so die Ankündigung) in der Lausigker Kirche (ebenfalls Evangelische Landeskirche Anhalts) statt.

Daß eine Kirche die sich auf Jesus Christus beruft extra Gottesdienste für Jäger und Jagdfreunde veranstaltet, dies sehe ich als spätrömische Dekadenz an, wird dadurch doch das Töten von Tieren als voll im Einklang mit dem christlichen Glauben hingestellt. Wieso die Kirche Jäger und Jagdfreunde hofiert, läßt tief blicken. Statt dieser Hubertusgottesdienste mit anschließendem „Schwein am Spieß“ wäre es nötiger die Menschen mit Sondergottesdiensten zu ehren, die als Tierschützer z.B. an den Zugrastgewässern unserer Heimat versuchen dem üblen Treiben vieler Jäger Einhalt zu gebieten, dies leider nur mit mäßigem Erfolg, denn die Lobby der Jäger ist groß und zu dieser Lobby gehört scheinbar auch die evangelische Kirche. Daß nun diese Tierschützer die wahren Christen sind, auch wenn sie vielleicht überhaupt keiner Kirche angehören, dies liegt auf der Hand.

Heute machte ich einen kleinen Ausflug zum Naturschutzgebiet Neolith-Teich, zwischen Aken und Köthen gelegen, und ich erfreute mich an den dort Rast machenden Wildgänsen, dies allerdings aus der Ferne, denn ich wollte die Wildgänse nicht aufscheuchen. Daß diese sehr scheu sind, dies bemerkte ich an ein paar Exemplaren die in meiner Nähe waren. Sofort als sie mich sahen, flogen sie auf und davon. Mit Recht, denn von Menschen, besonders den Jägern haben sie nichts gutes zu erwarten.

Zum Naturschutzgebiet Neolith-Teich (Auszug von
http://www.lvwa-natur.sachsen-anhalt.de/koethen/nsg0088.htm ):

Das NSG ist eines der bedeutendsten Zugrastgewässer für nordische Gänsearten in Sachsen-Anhalt. Bis zu 40.000 Saatgänse (Anser fabalis) und Bläßgänse (Anser albifrons) übernachten von September bis Ende Dezember im Gebiet. Die Höchstzahl wird meist Ende November - Anfang Dezember beobachtet. In milden Wintern verbleiben bis zu 5.000 Gänse im Gebiet.

Auf den Seiten von NABU (Naturschutzbund Deutschland) -Köthen, steht nun mehr als erschreckendes, was auf die Jägerschaft Anhalts ein bezeichnendes Licht wirft (Auszug aus http://www.nabu-koethen.de/gaense.htm ):

Gänse verenden qualvoll durch Schrotbeschuss am Neolithteich

Mitteldeutsche Zeitung 13.11.03

Am Neolith-Teich verenden jeden Morgen mehrere Gänse qualvoll, die von Jägern angeschossen, aber nicht getötet worden sind. Das teilt der Naturschutzbund Köthen (NABU) mit. Auch in diesem Jahr würden die Gänse beim Verlassen ihres Schlaf-gewässers im Biosphärenreservat wieder mit Schrot bejagt. Hunde, die die Tiere aufspüren könnten, seien vermutlich oftmals nicht eingesetzt worden. Die Sinnhaltigkeit dieser Aktionen, so die Tierschützer, sei fragwürdig. Der NABU setzt sich für ein Gänsejagd-Verbot in S.A. ein.
Noch immer (2005!) ist keine grundlegende Änderung der Jagdpraxis an diesem NSG festzustellen:
Bisher ist es nicht gelungen, die Jagdpraxis am Neolith-Teich und weiteren Bereichen dieses Europäischen Vogelschutzgebietes wesentlich zu ändern. Durch Behörden und Jagdverband ist eine Änderung in Aussicht gestellt, die aber in den kommenden Jagdsaisons umgesetzt und überprüft werden muss.
Selbstgestellter jagdlicher Grundsatz ist: "Das ist des Jägers höchst Gebot, was Du nicht kennst, das schieß nicht tot"; einige der Grünfräcke machen aber in der Praxis daraus: "Das ist des Jägers höchst Gebot, was Du nicht kennst, das schieß mit Schrot". Und genau um diese Anprangerung der unwaidmännischen Jagd und Verstoß gegen Tierschutzregelungen geht es.
Genau dieser Fakt des Schießens mit Schrot in Vogelschwärme verstößt nach unserer Auffassung gegen geltendes Naturschutzrecht, weshalb wir auch weiterhin darauf hinweisen (Bundesnaturschutzgesetz, Abschnitt 5: Schutz und Pflege wild lebender Tier- und Pflanzenarten, § 42,1 und 3): "Es ist verboten, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten ..., wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europ. Vogelarten an ihren Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtsstätten durch Aufsuchen, Fotografieren ... zu stören."
Bei der derzeitigen Jagdpraxis kann aber vom Schützen unter den gegebenen Umständen in der Regel nicht die Artzugehörigkeit eindeutig festgelegt werden, so dass sich ein Abschuss aus dem Vorhergesagten verbietet.
Dazu kommt der ausführlich dargestellte Fakt, dass in zu hoch fliegende Vogelschwärme geballert wird, so dass es nicht zum schnellen Tod eines Tieres, sondern zum Verletzen und Verludern von Tieren kommt …)

Die schöne Fahrt zum Neolith-Teich, mit den wunderbaren Panoramen von Licht, Wolken und schwarzer anhaltischer Erde und der wunderbaren Natur am Neolith-Teich (siehe heutige Fotos) war durch dieses Wissen um das Schicksal der Wildgänse getrübt. Wieviele der dort sich gerade aufhaltenden Wildgänse werden wohl auf ihrem Weiterzug im Jahre 2010 noch so abgeknallt werden? Und dies eventuell von Jägern, die als „fromme“ Kirchgänger aus einem dieser Hubertusgottesdienste kommen und dort ihren „Segen“ für ihr Tun bekommen haben. Oder sollte die Moral der anhaltischen Jäger in den letzten Jahren sich so gebessert haben? Eher ist zu befürchten, daß deshalb kaum noch Wildgänse in der kommenden Jagdsaison geschossen werden, weil sich die Anzahl der bei uns sich aufhaltenden Wildgänse drastisch weniger geworden ist.  

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