Freitag, 18. März 2016

Was wurde aus dem Dessauer "Mülltonnen-Baby" von 1952?

 
Längere Zeit war er nicht mehr da, an seiner früheren Arbeitsstelle als Zwangsarbeiter, der jetzt über 60 Jahre alte Heinz .... Dessauer werden erkennen, daß er vor dem jetzt leer stehenden Gelände der ehemaligen SED-Kreisparteischule steht. Zwangsarbeiter in der DDR?

Alte Dessauer werden sich noch an den spektakulären und die Dessauer Bevölkerung aufwühlenden Fall des Babys erinnern, welches 1952 von Müllmännern in einer Mülltonne entdeckt wurde - das damalige Baby war obiger Heinz. Was allerdings dann aus Heinz wurde, das erfuhren die Dessauer nicht, außer, daß es ihm in einem Kinderheim angeblich gut ging. Wie dieses „Gut gehen“ aussah, das erzählte mir Heinz dieser Tage in mehreren Interviews. Es ist dies eine Lebensgeschichte, die von Anfang an bis in die heutigen Tage eine fremdbestimmte ist und die erschreckend offenbart, daß die SED-Diktatur eine faschistische war, was die Methoden der Unterdrückung anlangte.

Nach Krankenhaus in Dessau und dem Säuglingsheim in Friedrichsbrunn kam Heinz in das Vorschulheim Gernrode und dann begann eine Odyssee durch viele Kinder-und Jugendheime der DDR. In ganz schlechter Erinnerung ist Heinz das Kinderheim „Walter Husemann“ in Globig bei Wittenberg. Was er uns da erzählte, das läßt einen erschauern und man denkt unwillkürlich an Anstalten in der NS-Zeit: Prügel, den Kopf gegen Heizkörper knallen, stundenlanges Schrubben der Treppen auf Knien zur Strafe, Einsperren in einen engen Raum als Strafe und sexueller Mißbrauch, indem Stücken von Kernseife in das Hinterteil gesteckt wurden, dazu bei Nichtabessen des Haferbreis, tägliches Wiedervorsetzen selbigen, bis dieser gegessen wurde. Etwas besser erging es Heinz in den Jugendheimen und später in einer Jugendwohngruppe, aber auch da unmenschliche Forderungen, so mußte er im Jugendheim in Ascherleben zwangsweise Hühner schlachten, obwohl ihm das als Tierfreund schwer fiel, aber Ablehnen ging nicht.

Wer nun meint, daß mit Erreichen der Volljährigkeitsgrenze Heinz in die Freiheit entlassen wurde, der täuscht sich. Da Heinz sehr arbeitsam war und als Glaser und Heizer an Niederdruckanlagen ausgebildet wurde, da konnte man ihn als Arbeitssklave in Heimeinrichtungen gut gebrauchen und statt eine eigene Wohnung zu bekommen, da bekam er ein Zimmer in einem Altersheim in Dessau und mußte fortan ohne Bezahlung, das heißt, diese wurde vom Heim eingestrichen und er bekam nicht mal ein Taschengeld, schuften. Mehrere Objekte beheizte Heinz jahrelang und das war damals eine schwere Arbeit, da mit Kohle. Unter anderen gehörte das SED-Objekt „Schwarzer Weg“ zu diesen Arbeitsstellen, wo er als Zwangsarbeiter ohne eigenen Lohn Kohle schaufeln und Asche ziehen mußte. Während Heinz dort als Zwangsarbeiter schuften mußte, da wurden in den Räumen der SED-Kreisparteischule heuchlichere Worte von dem angeblichen Arbeiter-und Bauernstaat DDR, wo das Wohl der Bürger angeblich Herzenssache der SED wäre, geschwungen. Daß die SED keine sozialistische Partei war, sondern eine sozialfaschistische, wobei man das Wort „sozial“ in „sozialfaschistisch“ auch streichen sollte, wenn man von solchen Schicksalen, wie dem von Heinz hört, das war der Bevölkerung klar, aber wie sich wehren können, gegen die Cliquen an der Macht, die mit aller Härte gegen Regimegegner vorging?

Die Wende 1989/90 war für Heinz ein großes Glück, denn er kam frei und er lebt seitdem in eigener Wohnung und meistert sein Leben, was zeigt, daß die Heimaufenthalte seit seinem 18. Geburtstag bis zur Wende Willkür waren, um seine Arbeitskraft schamlos auszunutzen.

Wer aber meint, daß der bundesrepublikanische Staat, solchen Opfern der SED-Diktatur besondere Fürsorge zuteil werden läßt, der täuscht sich. Heinz bekommt zwar eine Rente und ihm wurde auch eine größere Summe aus dem sogenannten Heimfonds zugesprochen, aber weder kann er über seine Rente, noch über den Heimfonds frei verfügen. Ein Betreuungsverein hat die amtliche Betreuung in finanziellen Dingen erhalten und um jede kleine Anschaffung muß er betteln und darf z.B. nicht selbst darüber entscheiden, ob er von seinem eigenen Geld einen kleinen Fernseher kauft oder einen großen. Trotz seiner Sehschwäche kaufte seine Betreuerin ihm einen kleinen Fernseher, trotz seiner Bitte, einen größeren zu kaufen. Selbstbestimmt leben, ist also auch jetzt mal wieder nicht für ihn.
 
Heinz wohnte die letzten Jahre im Harz, aber es zieht ihn wieder in seine alte Heimat, zumal seine Verwandten hier wohnen. Statt ihn bei seinem Umzug nach Dessau tatkräftig zu unterstützen, da werden ihm nach meinem Empfinden nur bürokratische Steine in den Weg gelegt. Man kann nur mit dem Kopf schütteln, wie mit Opfern der SED-Diktatur umgegangen wird.

Übrigens, die Hose und die Schuhe kaufte ich ihm, weil mir Opfer der SED-Diktatur als ehemaliger Bürgerrechtler am Herzen liegen. Heinz war mir dafür sehr dankbar.

PS: Aus Datenschutzgründen und Persönlichkeitsrechten habe ich den Namen nicht genannt und auch das Foto unkenntlich gemacht, obwohl Heinz mir das gestattet hat.      

Keine Kommentare: