Samstag, 7. März 2009

Das Bombeninferno des 7. März 1945 in Dessau






Auszug aus der Pressemitteilung des epd:
„Mit einem multikulturellen Programm will ein breites gesellschaftliches Bündnis am 7. März in Dessau-Roßlau gegen einen Aufmarsch von Neonazis protestieren. Anlaß ist das traditionelle Gedenken der Stadt an den schwersten Bombenangriff auf Dessau während des Zweiten Weltkrieges am 7. März 1945. Unter dem Motto „Vielfalt ist bunt“ sind an der Friedensglocke nahe dem Rathaus Auftritte des Anhaltischen Theaters und von internationalen Tanzgruppen geplant, teilte die Stadtverwaltung am 2. März mit.
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Zu den Akteuren des Kulturprogramms gegen den Neonazi-Aufmarsch gehören ein Blechbläser-Ensemble, Schauspieler, eine russische Folklore-Gruppe, die Kindertanzgruppe des Dessauer Jüdischen Kulturvereins sowie ein Trommler und ein Saxofonist aus Afrika. Eröffnet wird das Fest von Oberbürgermeister Klemens Koschig (parteilos). Außerdem wolle das „Bündnis gegen Rechtsextremismus“ dem Aufzug der Neonazis ab dem Hauptbahnhof mit einem „Kehraus“ folgen.“

Kann das wirklich wahr sein, daß dem schwärzesten Tag in der Geschichte Dessaus mit einem „Fest“ gedacht wird, gar Tanzgruppen auftreten sollen, Musik gemacht werden soll? Makaber und würdelos! Ausgerechnet den Rechtsextremen überlässt man es die Opfer des Bombensturms auf Dessau in würdiger Form mit einem Trauermarsch zu ehren? Anstatt denen nicht das Feld zu überlassen und selber einen Trauermarsch zu veranstalten wo man alle Dessauer Bürger aufruft der Toten in dieser apokalyptischen Nacht zu gedenken, veranstaltet man ein Fest? Schlimm genug wenn an Tagen wie dem Volkstrauertag, dem Buß-und Bettag oder dem Totensonntag es in der Stadt Dessau Vergnügungsveranstaltungen gibt, aber an einem so traurigen Tag wo 1945 fast 1000 Menschen den Tod fanden oder schwer verletzt wurden und wo 85 % der Stadt Dessau in Schutt und Asche versanken ein Fest offiziell von Seiten der Stadt zu veranstalten, dies ist mehr als würdelos und kann auch nicht mit dem berechtigten Interesse Flagge gegenüber reaktionären Rechtsextremisten zu zeigen entschuldigt werden.

Meine Mutter erlebte den Bombenterror am 7. März 1945 mit ihrer Familie in Dessau-Törten auf dem Sandberg in ihrem Einfamilienhaus. Dieses hatte mein Großvater, ein klassenbewußter Maurer und Hitlergegner (Er lehnte es strikt ab sich irgendwie für die Nazis zu engagieren. Als einmal eine BDM-Führerin ins Haus kam um dafür zu werben, daß seine Töchter Mitglied im BDM werden sollten, weil sie als einzigste in der Schule sich verweigerten, da schmiß er diese Nazitante kurzerhand aus dem Haus. ) mühselig allein unter größten finanziellen Sorgen gebaut. Mein Großvater hatte im Garten einen kleinen Erdbunker gebaut, schlicht und einfach nur zwei Bänke drin und als Dach ein paar Bretter die mit Erde überschüttet waren. Unheil kündigte sich an als meine Familie die vielen „Christbäume“ am Himmel sah und dann die Sirenen heulten. Schnell wurden Decken zusammengepackt und man begab sich in den Garten in den Bunker. Kurze Zeit später setzte auch schon ein ohrenbetäubender Krach von hunderten angloamerikanischer Bomber ein. Die Wucht der pausenlosen Einschläge ließ die Erde erbeben. Es soll unbeschreiblich gewesen sein. Wie mir meine Mutter erzählte, waren alle dort im Bunker wie paralysiert, besonders eine alte Tante, die seit dieser Infernonacht einen schweren geistigen Hieb wegbekommen hatte. Die Kinder schrieen unentwegt. Der Lärm der einschlagenden Bomben war so groß, daß man den Mund aufmachen mußte weil sonst das Trommelfell geplatzt wäre. Dies war ganz schlimm der Fall als ein paar Häuser weiter eine schwere Luftmine im Garten detonierte. Die Druckwelle war so groß, daß unser Haus und die angrenzenden Stallgebäude wie ein Kartenhaus umstürzten. Das mühevoll von meiner Familie gebaute Haus war in einer Minute weg. Wäre meine Familie wie viele andere im Keller des Hauses gewesen und nicht in einem Bunker im Garten, dann wären sie alle zerschmettert worden. Sich Antifaschisten nennende Dessauer hätten dann dazu kaltblütig gemeint: „Gegen jeden Geschichtsrevisionismus – deutsche Täter_Innen sind keine Opfer“, so wie sie das in einem Aufruf zum 7. März 2009 in Erinnerung des Bombenterrrors dieser Tage schrieben. Daß ihre eigenen Vorfahren auch unter den Opfern des angloamerikanischen Luftterrors gegen die Zivillbevölkerung hätten sein können und sie dann gar nicht geboren wären, dies vergessen allerdings diese Pseudo-Antifaschisten.

Ganz Dessau brannte lichterloh! Mein Vater war als Soldat zu dieser Zeit in der Garnison in Roßlau stationiert. Er und die anderen Soldaten sahen die hunderte Meter hohen Flammen und Rauchwolken. Die Soldaten in Rosslau wunderten sich, daß nicht sie als Wehrmacht das Ziel des Bombardements waren sondern die Dessauer Zivilbevölkerung. Dies verwundert im nachhinein nicht, denn das Ziel der angloamerikanischen Angriffe waren ja nicht die kriegswichtigen Industrien oder die Wehrmachtsstellungen sondern die Zivilbevölkerung. Frauen, Alte, Kinder waren im Visier solcher Aktionen wie die mit Namen „Donnerschlag“, die Feuersbrünste auf Hamburg und Dresden oder der Bombenangriff kurz vor Kriegsende auf Zerbst. Wenn Geschichtsklitterer von „kriegsnotwendigen“ Bombardierungen der Angloamerikaner reden die angeblich erforderlich waren um die Nazis nieder zu ringen, dann ist das Unsinn. Der ehemalige Volkskammerpräsident und Liberaldemokrat Prof. Dr. Johannes Dieckmann sprach mit Recht immer von „angloamerikanischen Luftgangstern“, da diese Angriffe gegen das Völkerrecht verstießen, da Ziel die Zivilbevölkerung war. So wie die späteren Bombardierungen in den Kriegen gegen Korea, Vietnam oder vor ein paar Jahren gegen den Irak, das Völkerrecht verletzten, so war auch der Bombenterror gegen die deutsche und japanische Zivilbevölkerung im 2. Weltkrieg Unrecht. Daß es z.B. den USA nicht um kriegswichtige Entscheidungen ging, dies zeigte sich ja beim Abwurf der beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, dies als Japan militärisch schon geschlagen war.

Ja das Haus war weg, meine Familie war nun obdachlos. Zu allem Unglück kam auch noch gegen Mittag meine Urgroßmutter aus der Stadt an. Für den Weg von der Törtener Straße bis zum Sandberg hatte sie eine ganze Nacht und einen halben Tag gebraucht, da überall Trümmer und Brände den Weg versperrten. Ihr Haus in der Törtener Straße welches in ihrem Besitz war, war restlos bis auf den Keller weg. Urgroßmutter hatte persönlich Glück. All ihr Hab und Gut war natürlich weg, so wie alles Hab und Gut meiner Familie auf dem Sandberg weg war, aber sie lebte und war auch nicht verletzt wie viele andere Menschen. Diese alte Frau war aber seitdem ein anderer Mensch. War sie vorher ziemlich resolut und mit dem Mund vorneweg, so war sie jetzt stumm, redete kaum mal und dann nur das notwendigste. Es war wahrscheinlich der Schock darüber als sie aus ihrem brennenden Haus in der Törtener Straße flüchtete und dabei durch die Flammenhölle mußte. Wie wir von einer anderen Nachbarin meiner Urgroßmutter erfuhren, hatte ein kleines achtjähriges Mädchen einer Mieterin meiner Urgroßmutter nicht dieses Glück. Dieses Kind blieb im zähflüssigen, fast schon kochenden Asphalt stecken, stolperte und fiel zu allem Unglück hin. Die Nachbarn zogen sie noch aus dem Asphalt, aber ihr Kleid hatte schon Feuer gefangen und Teer und Stoff hatten die Haut des Mädchens so verbrannt, daß sie an einer Rasenböschung verstarb. Sie soll bevor sie tot war dabei markerschütternd geschrieen haben.

Dieser Opfer zu gedenken bleibt aufrechten Dessauern nur über an dem traditionellen Gedenkgottesdienst in der evangelischen Pauluskirche um 21 Uhr teilzunehmen. Um 21.45 Uhr, dem Beginn der damaligen Bombenabwürfe, werden alle Dessauer Kirchenglocken geläutet werden. An den anderen Veranstaltungen, sowohl die des „Bunten Bündnisses“ wie an dem Marsch der Rechtsextremisten, teilzunehmen, dies ist dem Andenken an die unschuldigen Opfer des 7. März 1945 abträglich und unwürdig.

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