Freitag, 18. Juli 2014

Zum Gedenken an Hanni Guizetti-Zier (1914-2014)



Am 11. Juli 2014 verstarb im hohen Alter von über 100 Jahren meine Tante Hanni. Sie war bis dahin die letzte noch lebende Verwandte zu meinen Vorfahren der Dennhardt-Familie, die sie alle noch persönlich gekannt hatte: Clemens Denhardt (mehrmals hatte sich der Familienname anders geschrieben, einmal mit einem „n“ und ein andermal mit zwei „n“), den bekannten Kolonialherren des Witulandes, dem Deutschland, zusammen mit seinem Bruder Gustav (schon 1917 verstorben) den Besitz der Insel Helgoland verdankt, siehe dazu: http://barrynoa.blogspot.de/2011/12/links-zu-wituland-witu-deutsch-witu.html, meinen Urgroßvater Max Dennhardt, siehe: http://barrynoa.blogspot.de/2013/02/erinnerungsstucke-meinen-urgrovater-max.html und http://barrynoa.blogspot.de/2013/02/mein-urgrovater-max-dennhardt-und-die.html, meine Tanten, die Schwestern meiner Großmutter Gertrud, deren eine, Martha, die Mutter von Hanni war, und natürlich auch meinen Großonkel Albert, dessen Ermordung 1920 in Dessau soviel Aufsehen erregte, siehe: http://barrynoa.blogspot.de/2010/02/der-mord-meinem-onkel-albert-vor-90.html, an dessen Beerdigung die kleine Hanni im Alter von 6 Jahren teilnahm.

Hanni wurde am 5. Februar 1914 in Berlin geboren, ihr Vater Paul Zier, mit dem sich ihre Mutter Martha vermählt hatte, war zu diesem Zeitpunkt noch ein unvermögender Ingenieur. Doch dies änderte sich rasant. Durch den Krieg und die Nachkriegszeit machte er im Gegensatz zu vielen anderen einen steilen beruflichen Aufstieg und ein kleines Vermögen. Nach dem Umzug seiner Familie nach München, konnten sich die Ziers eine sehr große elegante Wohnung mit genauso eleganten Möbeln in der Äußeren Prinzregentenstraße 17 leisten, dazu, was damals selten war, ein Auto. Hannis Vater war sehr für seine Tochter eingenommen, erfüllte ihr jeden Wunsch, so auch ein Musikstudium, denn Hanni wollte Sängerin werden. Ein solches Studium war zu dieser Zeit für Töchter aus vermögendem Hause oft mit wenig Druck verbunden, so auch bei Hanni, die neben dem Studium sehr viel Zeit für Sport und Freizeitvergnügen verwandte und natürlich mehrmals in der Woche am Abend ins Theater ging, vornehmlich ins Prinzregenten-Theater.
 
Hanni 1937 und 1940
 
Die Zeiten wurden allerdings schlechter, denn statt das Leben in vollen Zügen zu genießen, hieß es Zwangsverpflichtung zur Arbeit für ledige Fräulein in den Zeiten des II. Weltkriegs. Im Falle von Hanni hieß das als Musiklehrerin arbeiten zu müssen, dies als Ersatz für Lehrer, die als Soldaten im II. Weltkrieg eingezogen wurden. Trotzdem fühlte sie sich in dieser Zeit nicht unglücklich, denn anderen ging es weitaus schlechter.
 
Hanni im August 1942 in ihren Räumen der Wohnung Äußere Prinzregentenstraße 17 in München
 
Durch den tragischen Tod ihres Vaters - er bekam einen Herzschlag, als er seine von einer Reise zurück gekehrte Tochter am Bahngleis abholen wollte (er starb in ihren Armen) - wurde sie aus relativ unbeschwerter Zeit heraus gerissen. Viele Jahre allein mit ihrer Mutter Martha lebend, blieb es beruflich beim Schuldienst, bis zu Ihrer Pensionierung, allerdings hochgestiegen bis zur Oberstudienrätin. Kinder blieben ihr versagt, im reifen Alter heiratete sie den Fabrikanten und früheren Oberbürgermeister von Celle, Franz Guizetti (OB von 1948 bis 1952), den sie um viele Jahre überlebte. Bis ins hohe Alter war sie körperlich und geistig frisch (ihren 100. Geburtstag verbrachte sie noch bei Spaziergängen in ihren geliebten Bergen des Allgäus) und ihre große Liebe gehörte der Musik, da natürlich der klassischen.
 
 
Ihre Mutter, Martha Dennhardt, die Schwester meiner Großmutter Gertrud, hing Zeit ihres Lebens an der Familie Dennhardt, war mit der Familiengeschichte der Dennhardts eng verbunden, so mit der Vergangenheit, die einmal eine bessere gewesen war, denn die Dennhardts gehörten zum Ritterstand in Thüringen, allerdings wurde ihre Stammburg im 16. Jahrhundert geschleift. Das Ritterwappen der Familie wurde immer hoch gehalten, siehe Scan, bis in die Jetztzeit hinein.
 
Dann der Niedergang der Familie im 19. Jahrhundert. Der Verlust von Wituland traf nicht nur Clemens und Gustav Denhardt finanziell schwer. Die damals vom Reich als Entschädigung angebotenen 150.000 Reichsmark wurden um 1900 von der Familie als ungenügend abgelehnt, denn auch die Eltern von meinem Urgroßvater Max, dem Großvater von Hanni, die hatten viel privates Geld in das Unternehmen von Clemens und Gustav gesteckt, welches nun weg war, denn nach 1918 erloschen alle diesbezüglichen Ansprüche und auch der Privatbesitz auf der Insel Lamu wurde von den Engländern, bzw. dessen Vasallen, dem Sultan von Sansibar, zu dessen Außenbesitzung Lamu zählte, rechtswidrig enteignet.
 
Mein Urgroßvater, der Großvater von Hanni, war doppelt arm dran, denn obwohl die Eltern noch  einiges Vermögen hinterließen, so hatte er nichts davon, denn im Alter von 3 Jahren wurden er und sein 10 Jahre älterer Bruder Vollwaisen. Entfernte Verwandte, die die Vormundschaft hatten, verpulverten das Geld. Während sein großer Bruder sich noch durchsetzen konnte, studieren konnte, sich mit dem restlichen Geld des Vermögens der Eltern eine Buchdruckerei kaufen konnte, blieb für den kleinen Max nichts mehr über und er mußte eine profane Werkzeugmacherlehre machen, machte zwar später seinen Meister und arbeitete sich hoch, war aber zeitlebens ein verbitterter Mann, der um sein Erbe gebracht war. Hanni war seine Lieblingsenkelin, als einzigste der Enkel drückte und küßte er sie, was sonst nicht seine Art war. In einem Telefonat mit Tante Hanni erzählte sie mir dies mal, daß sie davon gar nicht so entzückt war, wegen seines großes stachligen Schnurrbartes.
 
Jedenfalls sah sich ihre Mutter Martha in der Pflicht die verarmte Verwandtschaft finanziell zu unterstützen, was sie zeitlebens nach besten Kräften tat. Gern lud sie auch meine Mutter zu einem kleinen Urlaub nach München ein, wo sich meine Mutter sehr wohl fühlte, das war Ende der 1930er Jahre und Anfang der 1940er Jahre. Cousine Hanni zeigte ihr in so einer Woche alles was ihr selbst wichtig war - die Uni, das Prinzregenten-Theater, das Schwimmbad, in welches sie im Sommer jeden Tag ging, und, und, und. Diese Tage waren für meine Mutter unvergeßlich, denn sie kam ja nicht aus dieser großbürgerlichen Welt. Besonders schön war, daß man einmal meine Mutter ein paar Tage in die Sommerfrische ins Allgäu mitnahm, wo die Familie Zier jeden Sommer Urlaub machte, Hin-und Rückfahrt nicht mit der Bahn, sondern mit dem eigenen großen Auto von Hannis Vater.
 
Obwohl schon als Kleinkind von Berlin nach München gekommen, blieb Tante Hanni den preußischen Traditionen irgendwie verbunden, die auch mit den anhaltischen eng verbunden sind, protestantisch und pflichtbewußt. So trug ihr ihre Mutter auf, sich doch auch nach ihrem Tod um die Familie Dennhardt zu kümmern, an der Tante Martha so sehr hing und obwohl sie genügend anderes um die Ohren hatte, auch sich nicht so sehr, wie noch ihre Mutter, in der Dennhardtschen Tradition sah, sie ja auch nun eine nette Familie hatte, Mann und Kinder aus der ersten Ehe der Familie Guizetti, erfüllte sie in anhaltisch-preußischer Pflichterfüllung diesen Herzenswunsch ihrer Mutter und wir Dennhardt-Nachkommen, die in der DDR wohnten, bekamen Jahr für Jahr zu Weihnachten und zu besonderen Anlässen ein Geschenkpaket. Als meine Mutter 60 wurde, damit nach DDR-Recht als Frau nach Westdeutschland fahren durfte, lud sie Hanni zu sich einmal nach Celle und das zweite Mal nach Wasserburg/Bodensee, wo sie nach München lebte, ein, wo sie ihr viel bot. Es wiederholte sich das, was schon rund 40 Jahre früher in München den Urlaub meiner Mutter zu einem Erlebnis gemacht hatte. Dieser Charakterzug meiner Tante Hanni, den Wunsch ihrer Mutter, getreu bis ins hohe Alter zu erfüllen, den erachte ich als sehr lobenswert, ich werde Tante Hanni deshalb in guter Erinnerung behalten.

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